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16.05.2024

Betrug am Klimaschutz im Verkehrssektor: Dringender politischer Handlungsbedarf

Hintergrund
Parallel zu den bekannt gewordenen möglicherweise falsch deklarierten Biodiesel-Importen aus China, haben sich in den letzten Monaten neue Betrugsvorwürfe im Kontext der Treibhausgasminderung im Verkehr erhärtet.
Aufgrund mangelnder Prüfung und Untätigkeit der zuständigen Behörden (UBA / DEHSt) und missbräuchlicher Tätigkeit in deutschen Zertifizierungsstellen bestehen seit Monaten Zweifel an der Echt-heit zahlreicher UER-Projekte, vor allem aus China. Dabei handelt es sich um Projekte zur Emissions-minderung bei der Erdöl- und Erdgasförderung.
Der Verdacht: Bis zu 60 von 76 genehmigten UER-Projekten sind nicht zulässig oder gefälscht und ver-ursachen einen Schaden von mehreren Milliarden Euro (Betrugsvolumen ca. 4,5 Mrd. € laut Berech-nungen auf Basis der Pönale nach BImSchG). Deutsche Behörden wimmelten Branchenvertreter ab, die entsprechende Hinweise gaben.
Durch Recherchen renommierter Medien wie dem ZDF (CO2-Projekte: Betrugsverdacht bei Klima-schutzprojekten – ZDF heute) hat sich dieser Verdacht nun bestätigt; für die Betrugsfälle liegen stich-haltige Beweise vor.
UER-Nachweise können jährlich bis zu einer Obergrenze von rund 2,5 Mio. Tonnen CO2eq auf die THG-Minderungsquote angerechnet werden. Dies macht Maßnahmen, wie die den Ausbau der Elektrolad-einfrastruktur oder die Beimischung von Biokraftstoffen, weniger attraktiv und gefährdet die Branche für erneuerbare Antriebe in Deutschland – und damit die Erfüllung der Klimaschutzziele. Über 7,6 Mio. Tonnen THG-Minderung wurden durch den Missbrauch jedoch nie realisiert.
Die Diskussion dreht sich nun um zwei Aspekte: Wie kann der Betrug am Klimaschutz, den erneuerbaren Energien und den Steuerzahlern rückgängig gemacht werden und welche Konsequenzen ergeben sich systemisch in der Zukunft?

Handlungsbedarf
Um den möglichen Betrug zu stoppen und den Klimaschutzbeitrag wiederherzustellen, bedarf es insbesondere folgender Maßnahmen:
Ermöglichung der erneuten Überprüfung von Projekten durch Verlängerung der Mitteilungs- und Abgabepflichten und der dazugehörigen Fristen bis Ende des Jahres
Aktuell laufen die Fristen für die Quotenverpflichteten bis zum 15. Juni 2024. Solange die Frist läuft, können falsche UER-Projekte einfacher aberkannt werden. Damit eine erneute, unabhängige Prüfung der Projekte abschließend durchgeführt werden kann und falsche Projekte identifiziert werden können, muss die Frist mindestens bis zum 31.12.2024 verlängert werden. Nur so kann die Anrechnung von falschen Projekten ausgeschlossen – und Belastungen für Klima und Steuerzahler vermieden werden.


Lösung: Die Verlängerung der Anmeldefrist kann per Verwaltungsakt durch das Hauptzollamt Frankfurt/Oder in Abstimmung mit dem BMUV erfolgen.

Erneute unabhängige Prüfung der Projekttätigkeit durch Dritte:
Alle bereits genehmigten Projekte müssen durch unabhängige Sachverständige erneut überprüft werden. Neben der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzung sollte unter anderem auch die tatsächliche Emissionsminderung untersucht werden.
Lösung: Das Umweltbundesamt muss per Verordnung dazu veranlasst werden, eine erneute Prüfung aller Projekte durch einen unabhängigen Dritten anzuordnen.
Keine Anerkennung falscher UER-Nachweise:
Wenn die erneute Prüfung bereits eingereichter Projekte nicht durchgeführt oder diese in der Prüfung als gefälscht oder unzulässig identifiziert werden, dürfen diese auch nicht für die Erfüllung der Verpflichtung der THG-Minderungsquote angerechnet werden. Der Quotenverpflichtete muss somit für Ausgleich der THG-Minderung sorgen. Anders als derzeit in der Verordnung festgelegt, sollten nicht nur andere – vermutlich ebenso fragwürdige – UER-Projekte als Ausgleichsoption dienen, sondern alle anderen Erfüllungsoptionen sollten zur Verfügung stehen (z.B. Elektromobilität, Wasserstoff oder Biokraftstoffe).


Lösung: Eine kurzfristige Anpassung in der UERV ist hierzu notwendig. Es muss klarge-stellt werden, dass die Quotenverpflichteten auch auf andere verfügbare Erfül-lungsoptionen zurückgreifen können, um die fehlerhaften Projekte im UER-Bereich zu kompensieren.


Der vom BMUV veröffentlichte Entwurf zur Änderung der UERV geht zwar bereits in die richtige Rich-tung, weist in diesem Zusammenhang aber noch große Defizite auf. Ohne o.g. Nachbesserung der UERV vor dem aktuell geplanten Kabinettstermin am 22. Mai 2024 würde weiterer Schaden sanktionslos hin-genommen. Gleichzeitig muss das für die Anrechnung der THG-Minderungsquote zuständige HZA (Frankfurt/Oder) bis zu einer abschließenden Überprüfung von einer Anrechnung der Minderungsver-pflichtung durch UER-Nachweise absehen. Um auch ein Zeichen gegen den anhaltenden Missbrauch von Förderinstrumenten zu setzen, sollte im nächsten Schritt eine konsequente Verfolgung der Täter stattfinden. Zudem ist dieser akute Fall ein weiteres Indiz dafür, dass auch die zweifelhaften Biodiesel-Importe aus China in der Tat betrügerischer Natur sind. Es kann daher nicht auf eine Verschärfung und bessere Kontrolle der Zertifizierung im Zuge der RED-III-Umsetzung nächstes Jahr gewartet werden. Vielmehr bedarf es auch hier unverzüglicher Maßnahmen.